In der heutigen Arbeitswelt stehen Unternehmen vor der Herausforderung, die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) in ihre Prozesse zu integrieren. Diese hybride Intelligenz, also die Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI, kann enorme Effizienzgewinne und Innovationspotenziale freisetzen. Der Artikel gibt Ihnen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einen fundierten Überblick geben, wie diese Zusammenarbeit gestaltet und welche Kompetenzen entwickelt werden müssen, um eine produktive Kooperation zwischen Mensch und Maschine zu ermöglichen.

Hybride Intelligenz: Eine Definition

Der Begriff „hybride Intelligenz“ beschreibt die Kombination der Stärken von menschlicher und maschineller Intelligenz. Studien wie die von Dellermann et al. (2019) definieren hybride Intelligenz als die Fähigkeit, komplexe Ziele durch die Zusammenarbeit von Mensch und KI besser zu erreichen, als es jede der beiden Seiten allein könnte. Dabei sind Menschen besonders stark in Bereichen wie Flexibilität, Empathie, Kreativität und situatives Denken. Maschinen hingegen glänzen durch ihre Rechenleistung, Mustererkennung, Verarbeitungsgeschwindigkeit und ihre Fähigkeit, riesige Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren.

Wissenschaftliche Modelle der Mensch-KI-Zusammenarbeit

In der Forschung werden unterschiedliche Stufen und Modelle der Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI untersucht. Ein Beispiel ist das Stufenmodell von Sowa et al. (2021), das vier Intensitätsstufen der Kooperation zwischen Mensch und KI unterscheidet.:
• Stufe 1: Mensch und KI arbeiten unabhängig voneinander, konkurrieren aber nicht direkt.
• Stufe 2: Mensch und KI ergänzen sich, indem sie die Aufgaben übernehmen, in denen sie jeweils besonders stark sind (z.B. Mensch steuert, KI analysiert).
• Stufe 3: Mensch und KI sind aufeinander angewiesen, wobei die KI oft menschliche Hinweise benötigt.
• Stufe 4: Der Mensch nutzt die KI als Erweiterung seines Denkens, was zu einer „barrierefreien“ Interaktion und hybrider Intelligenz führt.
Dieses Modell zeigt, dass die Zusammenarbeit von Mensch und KI von einer anfänglichen Unabhängigkeit bis zu einer tiefen Integration reichen kann.

Rollen von KI in Mensch-KI-Teams

Ein weiterer relevanter Forschungsbereich beschäftigt sich mit den Rollen, die KI-Assistenzsysteme in Teams übernehmen können. Laut Studien von Wolf und Stock-Homburg (2022) können KI-Systeme als Teamassistenten, Wissensexperten, Koordinatoren oder sogar Teamleiter agieren. Je nach Aufgabe und Kontext kann die KI also administrative Aufgaben übernehmen, komplexes Fachwissen einbringen, kreative Lösungen vorschlagen oder das Team in agilen Prozessen leiten.
Siemon (2022) geht sogar einen Schritt weiter und betont, dass KI-Systeme als gleichberechtigte Teammitglieder betrachtet werden sollten. Sie übernehmen oft spezialisierte Rollen wie „Perfektionist“ (für präzise Aufgaben) oder „Kreator“ (für die Entwicklung neuer Ideen). Diese Flexibilität in der Rollenverteilung ist entscheidend, um das volle Potenzial der hybriden Intelligenz auszuschöpfen.

Kompetenzanforderungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit

Hybride Intelligenz und KI- Mindsetmastery-Copyright Dr. Ursula della Schiava-Winkler

Eine produktive Zusammenarbeit von Mensch und KI erfordert spezielle Fähigkeiten auf Seiten der menschlichen Teammitglieder. Ein zentrales Forschungsthema ist daher die Identifizierung und Entwicklung der notwendigen Kompetenzen. Die Arbeiten von Vuorikari et al. (2022) und weiteren Forscher zeigen, dass es nicht nur um technische Fähigkeiten geht, sondern auch um die Fähigkeit zur Gestaltung und Steuerung der Interaktion mit KI-Systemen.
Einige der wichtigsten Kompetenzen sind:
• Verständnis von KI-Technologien: Mitarbeitende müssen wissen, wie KI funktioniert und wo die Grenzen der maschinellen Intelligenz liegen. Dies hilft, die Eingaben an die KI (Prompts) sinnvoll zu gestalten.
• Reflexive Fähigkeiten: Die Fähigkeit, das eigene Handeln sowie die Interaktion mit der KI laufend zu beobachten und anzupassen, ist essenziell. Hier spricht man von „reflection-in-action“.
• Ethisches Bewusstsein: KI-Systeme werfen auch ethische Fragen auf. Es ist wichtig, Sensibilität für die ethischen Herausforderungen im Umgang mit KI zu entwickeln, wie etwa bei der Nutzung von persönlichen Daten oder der Entscheidung, wann menschliches Eingreifen notwendig ist.

Akzeptanz und kulturelle Rahmenbedingungen

Die Akzeptanz von KI in Teams und Entscheidungsprozessen ist ein weiterer wesentlicher Faktor für den Erfolg. Studien zeigen, dass Menschen mit einem „Growth Mindset“ tendenziell offener für die Zusammenarbeit mit KI sind, da sie diese als Chance für die persönliche Weiterentwicklung sehen. Organisationen, die eine solche Kultur der Offenheit und des Lernens fördern, sind besser darauf vorbereitet, von der hybriden Intelligenz zu profitieren.

Growth Mindset und Zusammenarbeit mit KI

Die Forschung zeigt, dass das Mindset von Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz und produktiven Zusammenarbeit mit KI-Systemen spielt. Menschen mit einem sogenannten „Growth Mindset“ – also der Überzeugung, dass Fähigkeiten und Wissen durch Anstrengung, Feedback und Lernen weiterentwickelt werden können – zeigen tendenziell eine höhere Bereitschaft, mit KI zu kooperieren. Eine Studie von Dang und Liu (2022) verdeutlicht, dass Personen mit einem Growth Mindset KI-Systeme eher als Chance zur Kompetenzentwicklung sehen. Diese Personen erkennen in der Zusammenarbeit mit KI das Potenzial für eigene Lernfortschritte und nutzen KI als unterstützenden Partner, der ihre Arbeit ergänzen und verbessern kann. Im Gegensatz dazu neigen Menschen mit einem „Fixed Mindset“ (dem Glauben, dass Fähigkeiten weitgehend festgelegt sind) dazu, in der KI eine Konkurrenz zu sehen, die ihre eigenen Fähigkeiten infrage stellt. Dies führt häufig zu Widerständen und einem defensiveren Umgang mit neuen Technologien.
Die Förderung eines Growth Mindset in Unternehmen kann daher entscheidend sein, um die Kooperationspotenziale zwischen Mensch und KI zu maximieren. Organisationen, die aktiv eine Kultur des Lernens und der Entwicklung fördern, schaffen eine Atmosphäre, in der Mitarbeitende offener für die Integration von KI sind und die Synergien dieser hybriden Intelligenz produktiver genutzt werden können.

KI – angstfreier Rahmen

Es ist auch wichtig, dass Führungskräfte klare ethische Leitlinien für den Umgang mit KI aufstellen und sicherstellen, dass die Mitarbeitenden sich sicher und unterstützt fühlen. So kann eine produktive und angstfreie Zusammenarbeit entstehen.

Chancen und Herausforderungen der hybriden Intelligenz

Die Integration von KI in die Arbeitswelt birgt immense Potenziale, sowohl in Bezug auf Effizienzsteigerung als auch auf die Entstehung neuer kreativer Lösungen. Jedoch gibt es auch Herausforderungen, wie etwa die Frage der Verantwortung und Kontrolle bei Entscheidungsprozessen, in denen sowohl Mensch als auch KI involviert sind.
Eine zentrale Erkenntnis der Forschung ist, dass die hybride Intelligenz nicht darauf abzielt, den Menschen zu ersetzen, sondern ihn zu erweitern und zu ergänzen. Die richtige Kombination der Stärken von Mensch und Maschine führt zu Ergebnissen, die beide Seiten allein nicht erreichen könnten.

Reflexionsfähigkeit und Selbststeuerung (Metakognition)

Eine der Schlüsselkompetenzen in der hybriden Zusammenarbeit ist die reflexive Beobachtung und Steuerung des eigenen Handelns. Mitarbeitende müssen in der Lage sein, die Ergebnisse der KI laufend zu bewerten und ihre Interaktionen entsprechend anzupassen. Dies erfordert:

  • Reflection-in-Action: Die Fähigkeit, während des Arbeitsprozesses mit der KI flexibel auf neue Informationen zu reagieren und Entscheidungen anzupassen.
  • Selbstgesteuertes Lernen: Da KI-Systeme wie ChatGPT auch als „persönliche Trainer“ eingesetzt werden können, ist die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen durch eigenständige Nutzung von KI-Anwendungen wichtig.

Kollaborationsfähigkeit mit KI

Die Zusammenarbeit mit KI erfordert ein neues Verständnis von Teamarbeit, in der Maschinen nicht nur Werkzeuge sind, sondern aktive Partner im Arbeitsprozess. Dazu gehört:

  • Ko-Kreation: Die Fähigkeit, gemeinsam mit KI-Systemen an Aufgaben zu arbeiten und die Stärken der KI gezielt einzusetzen, um Ergebnisse zu optimieren.
  • Delegation von Aufgaben: Zu wissen, welche Aufgaben besser an KI übergeben werden sollten (z.B. Analyse großer Datenmengen), während der Mensch komplexe, kreative oder ethisch sensible Entscheidungen trifft.

Anpassungsfähigkeit und Offenheit

  • Hybride Intelligenz erfordert eine kulturelle Offenheit und die Fähigkeit, sich schnell an neue Technologien anzupassen. Mitarbeitende sollten ein „Growth Mindset“ entwickeln, das die Bereitschaft zum Lernen und zur Anpassung an neue Technologien fördert.

Gelungene Zusammenarbeit

  • Die Erkenntnisse zur hybriden Intelligenz zeigen, dass eine gelungene Zusammenarbeit von Mensch und KI mehr als nur technische Kompetenz erfordert. Sie bedarf einer sorgfältigen Gestaltung der Rollenverteilung, einer Kultur des Lernens und der Offenheit, Growth Mindset sowie spezifischer ethischer Leitlinien. Unternehmen, die diese Faktoren berücksichtigen, werden in der Lage sein, die Synergien zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz erfolgreich zu nutzen und einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Hybride Intelligenz, also die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI, kann enorme Effizienzgewinne und Innovationspotenziale freisetzen.